Die Uraufführung von Agostino Steffanis Amor vien dal destino an der Frankfurter Oper verknüpft Vergils Aeneis-Episode mit barocker Musiksprache. Vaclav Luks führt die Kammerakademie Potsdam in einer historisch orientierten Aufführungspraxis, während die Händel & Haydn Society das Orchester ergänzt. Regisseur R.B. Schlather entwickelt eine szenische Choreographie, die mythologische und zeitgenössische Elemente misst. Internationale Solisten verkörpern die dramatischen Figuren mit gesanglicher Brillanz und klarer Diktion. Ein packendes Opernerlebnis zwischen Antike und Barock. Erlebnis.
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Vaclav Luks dirigiert Steffanis selten gespieltes Barockdrama in Frankfurt
1728 verstummte Agostino Steffanis Schaffen auf seiner Italienreise mit seinem Tod in Frankfurt, wo er im Kaiserdom beigesetzt wurde. Jetzt erklingt an der Frankfurter Oper sein Barockdrama Amor vien dal destino erstmals live auf der Bühne. Das ursprünglich fürs hannoversche Leineschloss erdachte Singspiel kehrt nach Jahrhunderten in den Aufführungsbetrieb zurück. Diese Neuproduktion beleuchtet Steffanis polyphone Schreibweise und zeigt sein Vermächtnis im europäischen Rahmen. Sie reagiert auf aktuelle musikgeschichtliche Anliegen.
Steffani-Oper Reisen: Hannover 1690, Düsseldorf 1709, Frankfurt jetzt erlebt
Agostino Steffani konzipierte Amor vien dal destino in den 1690er Jahren als Opernwerk für das Hoftheater des Leineschlosses zu Hannover. Die Düsseldorfer Oper führte es erstmals 1709 auf, danach verschwand die Produktion für über drei Jahrhunderte aus den Repertoires. Die bevorstehende Frankfurter Erstaufführung seit mehr als 300 Jahren stellt eine Premiere historischen Ausmaßes dar und gewährt einen tiefgehenden Einblick in die musikalische Charakteristik des europäischen Barock und revitalisiert vergessene Klänge.
Oper begeisterte Publikum mit kontrastreicher, mitreißender Arien- und Rezitativdynamik
Im Mittelpunkt steht ein kontrastreiches Zusammenspiel von prunkvollen Arien, erzählerischen Rezitativen und stimmigen Duetten. Die Begleitung entfaltet eine eindrucksvolle Palette an Klangfarben, von monumentaler Würde bis zu spielerischer Leichtigkeit. Steffani nutzt diese Vielfalt, um Spannung zu erzeugen und sie mit humorvollen Einsprengseln wieder zu lösen. Das Ergebnis ist eine ausgewogene Dramaturgie, die operninteressierte Hörer mit ihrer emotionalen Tiefe und barocken Feinheit gleichermaßen fasziniert.
Historische Bedeutung Steffani: Fundament für Telemanns und Händels Erbe
Agostino Steffani war im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts eine Schlüsselperson der Musikentwicklung. Er kombinierte italienische Melodik, deutsche polyfone Fügung und französische Eleganz in seinen Werken. Diese multinationale Stilvereinigung inspirierte Zeitgenossen wie Georg Philipp Telemann und Georg Friedrich Händel. Mit der jüngsten Wiederentdeckung seiner Manuskripte lassen sich zentrale Merkmale der barocken Komposition neu untersuchen. Dabei wird deutlich, wie Steffanis Innovationskraft langfristig sowohl Opern- als auch Instrumentalmusik prägte.
Kammerakademie Potsdam und Boston-Erfahrung prägen Luks neues Frankfurter Dirigat
Mit der Verpflichtung Vaclav Luks als musikalischer Leiter setzt die Frankfurter Oper auf historisches Fachwissen. Während seiner Artists Residence von 2022 bis 2025 bei der Kammerakademie Potsdam befasste er sich intensiv mit der adäquaten Umsetzung barocker Repertoires. Zudem ist er seit 2021 regelmäßiger Gastdirigent der Händel & Haydn Society in Boston. Durch seine langjährige Beschäftigung mit historischen Quellen und Praxisaspekten entstehen griffige, detaillierte, historisch fundierte, stiltreue und atmosphärisch dichte Aufführungskonzepte.
Kulturbrücke zwischen Barock und Gegenwart: Schlather inszeniert Steffani neu
R.B. Schlather brachte bereits Musiken von Händel in Tamerlano und Cimarosa in Litaliana in Londra auf die Bühne und gewann 2026 mit Madame Butterfly sowie Macbeth Anerkennung für seine frischen Interpretationen. In seiner Frankfurter Produktion von Steffanis Barockoper nutzt er diese Erfahrung, um das Werk neu zu kontextualisieren. Schlather vereint historische Spielpraxis mit modernem Regiestil, orchestriert ein Bühnenbild und setzt zeitgenössische Licht- und Videoprojektionen ein, um eine Atmosphäre zu erzeugen.
Vergils Aeneis in Musik: Frankfurter Ensemble schafft packende Umsetzung
In der Frankfurter Oper debutiert Margherita Maria Sala als Lavinia mit warmer Tongebung und feiner Ornamentik. Michael Porter, gefeiert für seine darstellerische Intensität, gestaltet den Aeneas mit nuanciertem Ausdruck und robustem Klang. Karolina Maku?a interpretiert Turno mit sanfter Legatoführung und lebendiger Agogik, während Thomas Faulkner als Latinus mit barocker Geläufigkeit und sonorem Timbre fasziniert. Zusammenspiel und vokale Balance formen eine fesselnde szenisch-musikalische Darstellung von Vergils Aeneis-Dramaturgie elegant prägnant ausdrucksstark mitreißend.
Barockoper zitiert Tradition durch Zib, Zimmermann, Lebow und Thanapat
Die erweiterte Vokalbesetzung umfasst vier junge Stimmen, die das barocke Klangbild prägen. Daniela Zib tritt als Giuturna/Venere erstmals in einer Hauptpartie an der Frankfurter Oper auf und zeigt dabei vokale Flexibilität. Countertenor Constantin Zimmermann singt die Partie des Coralto/Giove und besticht durch ein prägnantes, helles Timbre. Vervollständigt wird das Quartett durch Theo Lebow als Amme Nicea und Pete Thanapat als Corebo/Fauno. Zusammen interpretieren sie barocke Gesangskunst mit Klarheit und Feinsinn.
Vom Spanisch-Repertoire auf CD zur russisch-französischen Live-Performance in Frankfurt
Ergänzend zur Opernaufführung wurde ein Konzert mit einer amerikanischen Altistin arrangiert, die für ihre Interpretationen von Iolanta und Madama Butterfly weltweit anerkannt ist. Ihre Debüt-CD „Cancion amorosa“ widmet sich spanischer Liedtradition, während sie in Frankfurt ein russisch-französisches Repertoire vorstellt, das von Nadjeschda von Meck inspiriert wurde. Dieses Programm hebt Mecks Einfluss auf Tschaikowski und Debussy hervor und erschließt für das Publikum frische, ungewohnte, faszinierende, unverwechselbare klangliche Perspektiven und einzigartige Hörerlebnisse.
Unvergessliches klanggewaltiges Hörerlebnis durch erstklassiges Ensemble und historische Ausstattung
In dieser Frankfurter Realisierung wird das Opernwerk durch eine musikologische Präzisionsstudie und eine konsequente historisierende Praxis revitalisiert. Die Aufführung zeichnet sich durch rezitativbetonte Szenen und duettenreiche Klangmomente aus. Solisten und Ensemble bemühen sich um klangliche Authentizität, unterstützt durch Barocktrompeten und historische Streicher. Die Regie erschafft atmosphärische Sequenzen mit minimalem Dekor und setzt gezielt Lichtakzente. So entsteht ein intensiver Zugang zur barocken Ästhetik und Dramaturgie. interdisziplinärer Austausch, publikumorientierte Didaktik, kunsthistorische Forschung.

